Archiv für den Monat: Mai 2013

„Das kann aber nicht sein!“ – Wie ich mir ohne amtliche Namensänderung einen neuen Namen in der Universität besorgte.

Neulich machte ich mir im Gespräch mit meinem Psychologen klar, warum ich vor allem gerade nicht studiere, obwohl ich eigentlich teilweise gerne würde: In der Universität ist mein alter, bürgerlicher Name verzeichnet, den ich nicht mehr führe. Wenn ich mir dann denke, dass ich doch spontan und ohne Verpflichtungen in Seminare gehen könnte, schwingt immer die Angst mit, dass die Dozierenden die Namens-Liste im Online-Seminar-Verzeichnis sehen, dann die Anwesenheit abfragen und der alte Name sichtbar ist. Zwar habe ich mich dort in der Uni-Community auf unsichtbar gestellt, aber für Dozierende sind die Personen trotzdem sichtbar. Dies hat zur Folge, dass ich dann lieber nicht in Universitäts-Veranstaltungen gehe, obwohl ich eingeschrieben bin und wie gesagt auch manchmal Lust darauf habe Veranstaltungen zu besuchen.

Im Gespräch mit meinem Psycho ergab sich dann nur die eine Konsequenz, die ich die ganze Zeit verschoben habe: Ich müsste mich mit dem Universitätskorpus in Verbindung setzen und eine Lösung finden, damit mein eigener Name innerhalb der Universität verzeichnet ist und ich nicht mehr mit falschen Namen assoziiert werde. Längerfristig wäre sicher eine offizielle Namensänderung sinnvoll, doch dazu habe ich momentan noch nicht die Motivation gefunden.

Ich wusste, dass eine Namensänderung im universitären Rahmen möglich ist, ohne dass der bürgerlicher Name mit dem gewählten Namen übereinstimmt. Dies hatte ich erfahren, als ich mich für eine anderen Person mit der Universitätsleitung in Verbindung setzte, um dann in der Rechtsabteilung über die Möglichkeiten zu sprechen, wie eine Namensänderung, ohne vorherige Änderung des bürgerlichen Namen etabliert werden könnte, also auch Outing-Situationen vermieden werden können. Ich rief also bei der verantwortlichen Person an, mit der ich das letzte Mal gesprochen hatte. Die Person war etwas genervt, sagte, dass ein Termin diese Woche nicht mehr möglich sei, und ich schob die Genervtheit auf den vollen Terminkalender. Im Gespräch selbst sagte ich nur, dass ich da wieder einen Fall hätte, da ich am Telefon selbst nicht sagen wollte, dass es um mich geht. Es war mir vorher schon klar, dass es viel einfacher ist für die Ziele von anderen Personen zu kämpfen, als für meine eigenen. Zu persönlich und zu emotional bin ich dann. Ich fühle mich schutzlos und verletzlich, aber wenn ich für eine andere Person streite, dann kann ich sachlicher und kämpferischer sein, weil es ja nicht meine Identität betrifft und eigene Zweifel und negative Gedanken nicht dazwischenfunken können.

Zu dem Termin in der darauffolgenden Woche nahm ich eine_n Freund_in mit, damit ich ein wenig Rückendeckung genießen konnte. Die Person aus der Rechtsabteilung begrüßte uns freundlich-beschäftigt und räumte erstmal ein dutzend an dicken Leitzordnern vom Tisch, die sich auf diesem stapelten. Sie fragte, was sie für uns tun könne. Ich erläuterte etwas befangen, aufgeregt, dass es wieder um eine Namensänderung ginge, ohne dass der bürgerliche Name damit übereinstimme, dass es darum geht, dass ich eben nicht studiere, obwohl ich gerne studieren würde, und ob wir da wieder eine Lösung finden könnte. Ich sprach davon, dass ich auch ein Schreiben meines Psychologen dabei hätte, in dem steht, dass ich wegen Trans* in Behandlung bin und auch einen Veranstaltungshinweis, auf dem mein Name stand, um zu belegen, dass ich den Namen auch wirklich-wirklich benutze. Wir lächelten und schmunzelten, sie wollte die Unterlagen jedoch nicht sehen, fragte danach, was mir vorschwebte. Wie beim letzten Mal versuchte die Person aus der Rechtsabteilung eine Möglichkeit zu finden den Vornamen mit einem Punkt abzukürzen, da der Anfangsbuchstabe von des jetztigen und des alten Namens der selbe war. Glücklicherweise ging dies jedoch nicht, da im Computer-System keine Punkte in Namen erlaubt sind. Mit der Aussage, dass sie nicht wüsste, was dagegen spräche, verwies sie mich an den Geschäftsführer des Studierendensekretariats, den sie anrief, um einen Termin zu machen. Dieser sagte, dass ich sofort vorbeikommen könne, weshalb meine Begleitung und ich uns auf den Weg dorthin machten.

Beim Studierendensekretariat angekommen, begrüßte uns der Mensch dort nach einer kurzen Begrüßung mit: „Ja, dann bekomme ich von einem von ihnen eine Matrikelnummer und einen neuen Namen“. Mit beidem konnte ich dienen. Da ich noch ein neues Passbild für den neuen Studierendenausweis vorbeibringen wollte, müsse ich nochmal kommen. Im System wurde jedoch schon mein Name geändert.

Per E-Mail (an meine alte Universitäts-E-Mail-Adresse) erhielt ich dann in Kopie die Unterhaltung zwischen dem Menschen aus dem Studierendensekretariat und der Person vom Hochschulrechenzentrum, welche dafür zuständig war, dass ich eine neue E-Mail-Adresse erhielt. Denn ohne neue E-Mail-Adresse kein neuer Studierendenausweis. Da standen dann die Fakten, dass sich mein Name geändert habe, jedoch auch, dass ich eine „Geschlechtsumwandlung“ gemacht habe. Soso… Ich nahm es mit Humor, weil ich bekommen hatte, was ich wollte, und mir der Rest egal war. Dass eine Namensänderung jedoch mit Transsexualität und Geschlechtsangleichungen verbunden wird, ist in dem Fall lustig. Denn davon wie ich mich identifiziere habe ich weder in der Rechtsabteilung noch im Studierendensekretariat etwas gesagt: Aber klar, ich stehe als männliche Person im System und möchte einen neuen Namen, wegen so Trans*-Geschichten. Dann muss ich ja eine „Frau“ sein.

Am nächsten Montag schritt ich wieder zum Studierendensekretariat mit einem neuen Passbild und meiner Begleitung. Auf dem Weg dorthin fiel mir ein: Oh, vielleicht hätte ich mich nochmal rasieren sollen oder nicht meine Camouflage-Hose anziehen sollen. Doch ich überwand die Zweifel und dachte mir, dass das jetzt egal sei. Eine Person erwartete mich am Schalter, der ich kurz erzählte, dass ich eine neue Studierendenkarte beantragen wolle und hierfür das Passbild mitgebracht hatte. Es kam wieder die Frage nach der Matrikelnummer, welche ich ihr mitteilte. Die Person las meinen Namen vor, mit einer weiblichen Anrede, welche im System stand. Darauf sagte sie: „Das kann aber nicht sein!“ Ich sagte: „Doch.“ Sie etwas zweifelnd aber dann doch akzeptierend, erläuterte kurz, dass ich eine E-Mail an meine (neue) E-Mail-Adresse bekäme und dann den Ausweis abholen kann. Etwas weiteres müsse ich nicht tun. Sie wies mich nur darauf hin, dass ich noch meinen Personalausweis mitbringen müsse. Ich sagte: „Okay.“ und verlies mit meiner Begleitung das Studierendensekretariat. Ich erzählte ihr davon, worauf er_sie sich zusammen mit mir freute, was passieren wird, wenn ich mit meinem Personalausweis, in dem ein alter Name steht, den Studierendenausweis mit neuem Namen abhole und alles, bis auf die Namen übereinstimmen. Auch das Bild. Später fiel mir ein, dass ich die Person am Schalter noch hätte fragen können, warum das denn nicht sein könne, dass ich Frau XYZ ZYX bin. Sie hatte ja auch eine weibliche Anrede, sogar ein Schild auf dem das stand und zudem mehr Oberlippenbart als ich im Moment unseres aufeinandertreffens. Meine Begleitung sagte, dass mensch mit der Zeit wohl schlagfertiger wird. Dann wurde mir klar, dass offenbar nicht nur mein Name geändert wurde, sondern auch das Geschlecht, sonst hätte die Person am Schalter nicht so verwundert eine weibliche Anrede verwendet.

Später beim Einkaufen stand ich im Tegut an der Kasse. Vor mir 4 Kinder. Ein von mir als Mädchen gelesenes Kind sah mich, und flüsterte ihrer Freundin(?) sofort etwas zu. Ich schaute sie bewusst an und lächelte. Die zweite Person schaute mich an, kicherte sich einen ab und rannte dann weg. Aus Albernheit, vielleicht auch, weil ich sie ja auch anschaute. Kurze Zeit später vor dem Tegut-Supermarkt standen alle vier und unterhielten sich. Sie schauten mich an und ich schaute zurück, grinste sie verschmitzt an, machte mich insgeheim über ihre Geschlechtervorstellungen lustig, während sie sich über mich lustig machten. Vielleicht die angenehmste Variante, als angepisst sein, weil ich nicht passe, weil ich angst habe, dass Menschen denken, dass ich falsch bin, dass ich doch eigentlich ein Mann bin. Das ist nerviger, als wenn ich das Gefühl habe als schwul zu passen. Wenn ich als schwul passe kann ich selbstbewusster sein, weil ich mich weniger als schwul definiere, als als weiblich. Weiblich nur halb passen ist dann wieder emotionaler, persönlicher, verletzlicher. Ausserdem gehen die Leute mit mehr Abstand um, wenn ich als Schwuler, also tendenziell eher als Mann* passe. Dann kann ich mich mit Menschen anlegen, dann werde ich wütend und stelle mir Kampfszenen mit Leuten vor, die gemein und verletzend zu mir sind. Wenn ich besonders darauf Wert lege als weiblich zu passen, dann erlauben sich die Menschen um mich mehr heraus, gehen mir weniger aus dem Weg, wenn ich vorbei will (was heißt, dass ich mehr Leute remple, wenn ich als weiblich gelesene Person passen möchte), oder schauen verletzender. Aber auch ich bin verletzlicher, und achte mehr auf die Blicke. Vielleicht schauen die Leute auch immer gleich, nur je nach Performanz geht es näher an mich heran.

April/Mai 2013.